“Grammonus thielei – a new bythitid cavefish from off Sulawesi, Indonesia”

FOTOGRAF: THIELE Werner MVÖAV-W: 2001

Seit 1997 Mitglied des Fotoklub Hall in Tirol


1993: Vizeeuropameister, SILBER / Süßwasser-Fotografen
1995: Vizestaatsmeister, SILBER / Gläserne Kamera 95
1997: Aufnahme in das österr. Nationalteam, BRONZE / Gläserne Kamera 97
1999: Staatsmeister, GOLD / Gläserne Kamera 99
2000: Weltmeisterschaft Ägypten, VizeWM / Weltmeisterschaft 2000 Ägypten
2002: Vodan 2002, GOLD / Grand Prix gesamt
2002: Landesmeisterschaft, GOLD / Rudi H. Gedenkmedaille
2003: VODAN 2003, SILBER / Grand Prix 2. Platz
2004: Dezember ... „ The Beagle “ der australischen Fachzeitschrift „The Beagle“ eine Abhandlung von Dr. Nielsen & Dr. Cohen unter dem Titel “Grammonus thielei – a new bythitid cavefish from off Sulawesi, Indonesia”.

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Fisch_portrait
Werner THIELE ist erreichbar unter :
EMail: info@waterworld.at / Web: www.waterworld.at/

















































ESPECIES

Zu Zeiten von Charles Darwin war es, obwohl nicht extrem selten etwas Besonderes eine neue Tierart zu entdecken. Die Mehrheit der Bevölkerung hält es im 21 Jahrhundert für nahezu unmöglich. Unterwasserfotograf Werner THIELE ist das Unmögliche dennoch gelungen und erzählt mir die abenteuerliche Geschichte, welche hinter der Entdeckung „seines“ und nach ihm benannten GRAMMONUS THIELEI steckt:

MAI 1998:
Das glasklare Wasser des Sinkholes in welchem ich mich befinde wird nur noch kurze Zeit die Möglichkeit bieten glasklare Photos einer archaisch geformten Welt zu gestalten. Die Luftblasen prasseln aus meinem Atemregler an die Höhlendecke über mir und lösen Sedimente, welche nun wie ein dünner Vorhang vor meinen Augen niedergehen. 100 Meter tief im Berg, auf nun fast 40 Meter Wassertiefe sind keine Fehler erlaubt. Vorsichtig greife ich die dünne Führungsleine, welche uns aus dem ewigen Dunkel des Berges nach oben leiten wird.
Gerade als wir mit dem Aufstieg beginnen wollen, nehme ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung im Finsteren war. Überrascht leuchte ich den dünnen Spalt im Gestein aus und sehe den wohl ungewöhnlichsten Fisch meines Lebens vor mir! Der Fisch sieht halb verwest aus, Hautfetzen hängen von einem knöchernen Schädel, überhaupt sieht das Tier aus als wäre es schon vor Jahren gestorben. Ein dünner Körper, welcher an eine Aalrutte erinnert, wuchtige Brustflossen und Barteln die hauchdünn auslaufen, dazu ein Kopf der für die Körpermaße vollkommen lächerlich und überdimensioniert wirkt.
Schnell greife ich zu meiner zweiten Kamera auf welcher ich für alle Fälle das Makro montiert hatte um Garnelen oder ähnliche Tiere im ewigen Dunkel der Höhle zu fotografieren. Der Bildzähler zeigt 36, ich habe also nur noch zwei Bilder zur Verfügung! Jetzt nur keinen Fehler machen! Schnell fotografiere ich das ungewöhnliche Tier bevor ich mich auf den langen Weg nach oben, hinaus aus der Höhle, hin zum Licht und zum Leben mache.
Später, an der Bar des Resorts wirft meine Entdeckung natürlich einiges an Fragen auf. Was kann das für ein Tier sein? Sowohl Lorenz MÄDER, Basisleiter und Besitzer des Wakatobi Dive Resorts als auch ich sind uns sicher (und wir beide haben jahrzehntelange Erfahrung), dass wir nichts vergleichbares aus all den vielen Bestimmungsbüchern kennen. Sollte es sich bei unserem kleinen Überraschungsgast vielleicht gar um eine NEUE ART handeln? Mein Interesse ist geweckt und ich beschließe dieser Sache in Europa nachzugehen.

JUNI bis NOVEMBER 1998: Mit den entwickelten Bildern besuche ich Dr. STEINER, Chef der Fischforschungsanstalt in Tirol. Der ist angesichts der Bilder aber auch eher ratlos, verspricht aber diese an Dr. FORSTNER sowie Prof. RIEGER von der Universität Innsbruck weiterzureichen.
Doch der Fisch bleibt ein Rätsel.....
Erstes Licht kommt in die Angelegenheit als Dr. RIEGL von der Universität Wien es schafft die Familie einzugrenzen und mir rät das Smithsonian Institution, DER Instanz weltweit, in Washington den USA zu kontaktieren. Und tatsächlich, Dr. Klaus RÜTZLER ist der erste der vermutet, dass es sich um einen Fisch aus der Familie der BYTHITIDEN handeln könnte und kontaktiert seinen Freund, Dr. Dan COHEN in San Francisco, einen der größten Spezialisten weltweit für diese Familie.....
Parallel kontaktiere ich zur selben Zeit auch Helmut DEBELIUS, das wandelnde Lexikon für Fischbestimmung und „die“ Fachinstanz für derartige Fragen in Deutschland. Im August 1998 können wir das erste Mal grob eingrenzen um was es sich handelt: Dr. RIEHL von der Universität Düsseldorf schreibt an diesem Tag in einem Brief an Helmut Debelius:
„Dieser Fisch passt einfach in kein Schema, denn irgend ein Kriterium passt immer nicht. Vom Habitus passt er am ehesten in die Familie der Bythitidae. Deren Vertreter leben meist marin, kommen aber mit wenigen Arten auch im Brack- und Süßwasser vor. Vertreter gibt es im Atlantik, Indischen Ozean und Pazifik. Im Atlantik (Kuba, Bahamas) gibt es sogar eine Art (Lucifuga) der Unterfamilie Brosmophycinae, die blind ist und in Kalkhöhlen lebt (so wie der Fisch auf den Fotos). Kuba und die Bahamas sind aber eben leider nicht Sulawesi! Ich denke, dass dieser Fisch ein wahrscheinlich (?) noch unbeschriebener Vertreter der Familie Bythitidae ist!!!“ Als besten Kontakt für diese Fischfamilie nennt Dr. Riehl in seinem Schreiben zudem Dr. Jorgen NIELSEN in Kopenhagen.

Im September 1998 überschlagen sich die Ereignisse und es scheint als wären die beiden richtigen Kapazitäten unabhängig voneinander fündig geworden.
Die Briefe der Wissenschaftler lassen bei mir nun das Blut kochen: beide vermuten dass es sich um eine neue Art handelt. Es scheint zu diesem Zeitpunkt bereits gesichert, dass es sich bei meinem kleinen Höhlenfreund um eine neue Art handelt. Doch noch fehlt der Beweis, und der wird in der modernen Wissenschaft halt einmal nur auf dem Seziertisch erbracht. Im November 1998 schreibt Dr. Cohen: “Für eine präzise Klassifizierung wäre es notwendig ein MÄNNLICHES Tier zu untersuchen, da speziell die inneren männlichen Geschlechtsorgane wichtige taxonomische Rückschlüsse bzw. eine sichere Artbestimmung zulassen. Können Sie nach Sulawesi zurück kehren und ein (männliches) Tier einfangen, noch besser ein Pärchen!?“

Mai 2000 : Nach monatelangen Vorbereitungen reise ich zum zweiten mal nach Wakatobi. Lorenz hat in den letzten Monaten bereits Vorarbeiten geleistet. Zwar hat er in den letzten Monaten den Fisch einige wenige Male gesichtet und dies sogar in drei verschiedenen Cenotes (Sinkholes) – doch es scheint bereits so als wäre das Tier eine selten zu beobachtende und noch seltener vorkommende Art, denn die meisten der Höhlentauchgänge blieben erfolglos.
In den folgenden Tagen nehmen wir, um an das Sinkhole auf Tomia, der Nachbarinsel von Wakatobi zu kommen, mehrfach die größten Strapazen auf uns: Einer Stunde im Boot folgt eine Stunde im Geländewagen und dann ein Marsch von 45 Minuten quer durch den Regenwald, das Ganze bei Gluthitze, 100 % Luftfeuchtigkeit und unter ständiger Mosquitoattacken. Am Sinkhole angelangt gleiten wir endlich in das kühle Nass, welches nach dem langen Fußmarsch wie eine Erlösung wirkt. Schnell erreichen wir bei 15 Metern den Boden und suchen den Eingang zu dem weit verzweigten und vollkommen unerforschten Höhlensystem. Das Licht schwindet langsam , ewige Finsternis umfängt uns, und im Schein unserer Lampen öffnet sich eine magische, verführerische und doch extrem gefährliche Traumwelt. Tiefer und tiefer dringen wir in den Berg vor, markieren unseren Weg mit Leinen, entscheiden uns mal für den linken, mal für den rechten Gang.
Tauchgang um Tauchgang dringen wir in den nächsten Tagen in den Berg vor – doch ohne Glück. Nur ein einziges Mal, am letzten Tag sehen wir, wie zum Hohn unseren kleinen Freund für den Moment eines Augenblinzelns bevor er in einem dünnen Spalt verschwindet, unerreichbar für uns. Enttäuscht und müde reisen wir nach drei Wochen ab. Zwar haben wir sehr viele neue Erkenntnisse über den Lebensraum unseres noch unbenannten Fisches erfahren – dennoch, das Wichtigste, nämlich ein Exemplar in Formalin für die wichtigen taxonomischen Untersuchungen haben wir nach wie vor nicht.

August 2002 : Mit einem mulmigen Gefühl mache ich mich mit meinem Team ein drittes Mal auf den langen Weg nach Wakatobi. Inzwischen beschäftigt uns der kleine Fisch mehr als erwartet. Dr. Cohen und Dr. Nielsen verzehren sich danach endlich ein Exemplar zu untersuchen, kein Wunder, ist doch die Bythitidenfamilie ihr Hauptinteressensgebiet.
Nach einer Woche, 8 Tauchgänge und 4 Fußmarschaktionen schlägt die anfängliche Zuversicht langsam aber sicher in depressive Resignation um. Während des neunten Tauchganges sitzen wir am Rand des Sinkholes und starren auf die schwarze Fläche die sich unter uns auftut. Wie lange soll das noch so weiter gehen? Um etwas Stimmung in die Truppe zu bringen, gebe ich das atemberaubende Sinkhole für einen „Funtauchgang“ frei und beschließe für mich selbst mit meinem bezaubernden Modell Aline einen Tauchgang in den oberen Höhlengängen zu machen um einige schöne Weitwinkelbilder zu schießen, „Taucherin in Höhle“ nennt man das wohl.
15 Minuten später schweben Aline und ich auf 28 Metern Tiefe in einem senkrechten Schacht und 10cm vor meinem Domeport schwebt ein 9 cm langes „Blatt“ als unscharfer Fleck durch mein Bild. Als ich vom Sucher aufblicke um das Blatt beiseite zu schieben „gefriert“ mir das Adrenalin in den Adern: Da steht das kleine Mistvieh einen halben Meter vor mir, wohl wissend dass ich diesmal KEIN Fangnetz und KEINEN Fangbehälter dabei habe....!!!! Nun nur nicht nervös werden - vorsichtig klinke ich die Kamera an meiner Tarierweste ein und versuche was ich schon in meiner Kindheit immer wieder an Tirols Bächen geübt habe – nämlich den Fisch mit der Hand zu fangen!

In Zeitlupe nähern sich meine beiden Handflächen dem kleinen Fisch, der (Gott sei Dank) eine ruhige und langsame Schwimmart an den Tag legt. Vielleicht hat er ja doch Erbarmen mit uns? Fünf Sekunden später zappelt der Fisch zwischen meinen Händen und ich hänge bewegungsunfähig irgendwo im Berg. Dabei ist es aber ganz einfach: Entweder den Fisch frei lassen und sicher auftauchen oder den Fisch festhalten und das Kunststück vollbringen mit einer am Jacket baumelnden Lampe, Kamera samt Blitzen zwischen den Beinen irgendwie aus der Höhle zu kommen. Es gab noch eine Möglichkeit, nämlich einen aufmerksamen, erfahrenen und guten Tauchpartner: Aline hat die problematische Situation erkannt und greift meinen Brustgurt - um mich sozusagen wie ein defektes Auto „abzuschleppen“. Als wir 10 Minuten später die Wasseroberfläche durchstoßen bahnt sich ein Urschrei den Weg aus unseren Kehlen,es schallt durch den Urwald von Sulawesi: Erschrocken springen unsere Begleiter auf, nur um festzustellen dass wir vor Glück fast heulen und nicht mehr aufhören können um uns zu brüllen. Lorenz MÄDER erkennt die Situation an schnellsten und springt, so wie er ist in Jeans und T-Shirt ( dafür aber MIT Sammelbehälter) ins Wasser zu uns herunter. Vorsichtig bugsieren wir den Fisch aus meinen Händen nun durch die schmale Öffnung. Als ich das Platschen am Boden des Behälters vernehme löst sich die Anspannung wie ein Stein von meinen Schultern. Schnell verschließen wir den Deckel und nun, nun endlich – wir haben es geschafft!!! Dass wir am selben Tag bei unserem abschließenden letzten Tauchgang noch ein Exemplar fanden welches wir ausgiebig fotografieren und filmen konnten versteht sich von selbst...
Einige Tage, tausende Kilometer und etliche „Siegesdrinks“ später stehen wir zurück in Europa aber vor einem letzten Problem: Eine mit Formalin durchtränkte Fischleiche mittels Botendienst in die USA zu senden – das wird wohl eher weniger funktionieren, zu streng sind die bekannten Zoll- und Quarantänevorschriften, und unsere Spezies würde wohl im Verbrennungsofen der Zollbehörde landen. Zum Glück sind sowohl Österreich als auch Dänemark in der EU, und 24 Stunden später meldet mir Dr. NIELSEN, dass der Fisch wohlbehalten in Kopenhagen angekommen ist. In den folgenden Tagen wird das Muster untersucht, wobei sich Dr. Nielsen und ebenso Dr. Cohen in San Francisco mittels Webkonferenz vor jedem Schritt beratschlagen.

Am 16. September 2002 meldet sich Kopenhagen per Email: Bei meinem kleinen Höhlenfisch handelt es sich tatsächlich um eine neue Art, genauer gesagt um eine bisher unbekannte Art der Familie Grammonus. Im Juli 2003 wird die neue Art auf der internationalen Ichtyologentagung in Brasilien unter großem Interesse das erste Mal der versammelten Wissenschaft vorgestellt.

Sechseinhalb Jahre nach unserer ersten kurzen „Zwei-Bilder-Begegnung“, erscheint im Dezember 2004 in der jährlichen Ausgabe der australischen Fachzeitschrift „The Beagle“ eine Abhandlung von Dr. Nielsen & Dr. Cohen unter dem Titel “Grammonus thielei – a new bythitid cavefish from off Sulawesi, Indonesia”.

Hätte mir sieben Jahre früher jemand erzählt dass ich schon bald eine neue Fischart entdecken würde die dann auch noch meinen Namen trägt – ich hätte ihn ausgelacht und ihm geraten aufzuhören zu träumen. Aber wissen Sie was? Man soll nie aufhören zu träumen – denn da draußen gibt es noch viel das nur darauf wartet von uns entdeckt zu werden. Also beginnen Sie damit zu träumen. Es könnte sich auszahlen.

© Aufbereitung durch Peter Seeber, Obmann und Webmaster des Fotoklub Hall

Wissenschaftliche Originaltexte (englisch)
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